Die
Geschichte vom Sand:
Ein munter sprudelnder Bach erreichte die Wüste und fand, daß er
sie nicht überqueren konnte; seine Wasser versickerten zu schnell
in dem feinen Sand. Laut sagte er: "Es ist meine Bestimmung,
diese Wüste zu überqueren, aber ich sehe nicht, wie."
In der verhüllten Sprache der Natur antwortete die Wüste: "Der
Wind geht über die Wüste hin, das ist auch dein Weg!"
"Aber sooft ich es versuche, trocknet der Sand mich fort. Und
selbst wenn ich Anlauf nehme, schaffe ich es nur ein kleines
Wegstück."
"Der Wind stürmt nicht gegen den Sand der Wüste an."
"Aber der Wind kann fliegen, und ich nicht."
"Du denkst in die falsche Richtung. Erlaube dem Wind, dich
über den Sand zu tragen."
"Aber wie soll das gehen?"
"Geh auf den Wind!"
Das
gefiel dem Bach gar nicht. Er fürchtete, auf diese Weise seine
Individualität zu verlieren. Würde er denn dann überhaupt noch
existieren? Dies, sagte der Sand, sei eine Form der Logik, die mit
der Realität nichts zu tun habe.
"Der Wind nimmt die Feuchtigkeit auf, trägt sie über die Wüste
und läßt sie dort zur Erde niederregnen. Und der Regen wird wieder
ein Bach."
"Aber woher weiß ich, daß das auch wahr ist?"
"Es ist so, und du mußt es glauben, sonst wird der Sand dich
weiterhin aufsaugen, bis du nach ein paar Millionen Jahren ein
Sumpf wirst."
"Aber wenn das so ist, werde ich derselbe sein wie jetzt . . .
drüben?"
"Jedenfalls kannst du nicht genauso bleiben, wie du jetzt
bist. Aber du hast gar keine Wahl; das scheint dir nur so. Der Wind
wird von dir nehmen, was ungreifbar ist, dein Wesen. Wenn du in den
Bergen jenseits des Sandes wieder ein Bach wirst, mag wohl der
Mensch dich dort anders nennen, aber du wirst wissen, daß du im
Innersten derselbe bist. Du magst dich heute als ein Bach dieser
oder jener Art bezeichnen, doch weißt du nicht, welcher Teil von
dir sein Wesen ist."
So erhob sich der Bach in die geöffneten Arme des Windes, der ihn
langsam und behutsam aufnahm, über die Wüste trug und auf den
Berggipfeln eines fernen Landes sanft und sicher wieder absetzte.
"Jetzt", sagte der Bach, "weiß ich wirklich, wer ich
bin." Eine Frage aber beschäftigte ihn noch: "Warum
konnte ich das nicht selbst herausfinden? Warum hat der Sand es mir
sagen müssen? Was wäre geschehen, wenn ich nicht zugehört
hätte?"
Wispernd
kam die Antwort " es war die Stimme eines Sandkorns: "Nur
der Sand weiß; er hat es sich ereignen sehen, und er erstreckte
sich vom Fluß bis in die Berge. Er ist die Verbindung, und er
erfüllte seine Aufgabe wie jedes Ding. Der Weg, den der Strom des
Lebens auf seiner Reise nimmt, ist in den Sand
geschrieben."
Das ist es! Sich verändern, um zu überleben.
Wenn man eine große Reise vorhat, ist da neben der Vorfreude auch
ein leiser Zweifel, ob alles gut gehen wird. Außerdem bereitet man
sich schon Wochen vorher gut auf die Reise vor.
1.
Wenn Sie ihr Leben von dem Punkt aus betrachten, an dem Sie jetzt
sind, was war es dann eigentlich? War es ein gutes Leben? War es
ein einsames Leben?
2. Was
war das Beste, was Ihnen jemals widerfahren ist? Was war das
Schlimmste?
3. Was
war das Beste, was Sie jemals getan haben und was das
Schlimmste?
4.
Welches war die schönste Zeit in Ihrem Leben und welches die
schlimmste?
5. Wie
würden Sie die Sätze beenden:
"Aus
meiner Kindheit erinnere ich mich am liebsten
an..."
"Aus
meiner Kindheit hasse ich am meisten die Erinnerung
an...?"
6.
Wenn ein Kind, das Sie lieben, Sie bitten würde, ihm das Wichtigste
zu nennen, das Sie in Ihrem Leben gelernt haben, was würden Sie
antworten?
7.
Wenn Sie hören könnten, was Ihre Freunde über Sie bei Ihrer
Beerdigung sagen: Was würden Sie am liebsten hören? Und was am
liebsten nicht?
8.
Welche Rolle haben Sie in den letzten Jahren hauptsächlich
gespielt? Welche Maske haben Sie in Gegenwart anderer am häufigsten
getragen? Möchten Sie diese Rolle auch jetzt noch
spielen?
9. Sie
sind in den letzten Jahren hauptsächlich einen Weg gegangen?
Gibt es einen anderen Weg, den Sie beschreiten müssen, um Ihr Leben
vollkommener zu machen?
10.
Was brauchen Sie, um Ihr Leben zu vollenden?
aus:
Tagebuch:
Diagnose Leukämie
Elegie
im November
Die
letzten Blätter flattern von den Bäumen,
der Herbstwind treibt sie johlend vor sich her.
Man schaut voll Wehmut zu und kommt dabei ins Träumen,
wenn man jetzt selber solch ein Blättchen wär?
Man wüsste nichts vom großen Weltgetriebe,
von all dem nichts, was Menschen wichtig scheint.
Man kennte nicht das tiefe Glück der Liebe,
wär andrerseits auch keinem spinnefeind.
Man würde sich im Lenz als Blatt entfalten,
in schlichtem Grün und hoffnungsvollem Ton.
Man würde sich nicht für so wichtig halten
und forderte nicht den geringsten Lohn.
Man wär ein Teil von jenem großen Ganzen,
aus dem der Baum die Lebenskraft bezieht.
Man wurzelte im Sein wie alle Pflanzen,
in der Natur als kleines Bindeglied.
Man würde jetzt vom Herbstwind fortgetragen
und schwebte leise flatternd durch die Welt.
Man würde irgendwo an einem Fleck verschlagen,
wo welkes Laub zu Erdenstaub zerfällt.
So lebte man im ew'gen Stirb und Werde,
ein Kreislauf, der sich öffnet und sich schließt.
Man würde Blatt und würde wieder Erde,
aus der im Lenz das neue Leben sprießt.
Friedhelm Goetz